Im Interview: Jürg Knoll von Follow Food
Wie der Gründer unsere Böden & Meere rettet – und warum wir mitmachen sollten.
Zwischen ständigen Produktneuheiten, einem allgemeinen Wertewandel und grünen Werbekampagnen ist es für uns als Konsument:innen heutzutage oft schwer, einen wirklich guten und einen vermeintlich guten Einkauf voneinander zu unterscheiden. Denn die Lebensmittelindustrie weiß sehr genau um das Verkaufsargument “mit der Nachhaltigkeit“. Wir möchten euch daher persönlich eine Brand ans Herz legen, die gezielt Transparenz schafft und Probleme offen anspricht: followfood!
Die Marke setzt sich schon seit 2007 für einen nachhaltigen und transparenten Umgang mit Lebensmitteln ein. So haben sie beispielsweise eigene Standards für Fischfang und Gemüseanbau entwickelt oder einen eigenen Tracking-Code auf den Produkten etabliert, der den Weg vom Anbau bis ins Supermarktregal verfolgen lässt. Wir haben mit Gründer Jürg Knoll über seine Marke, das Problem fruchtbarer Böden, über nachhaltigen Fischfang und Zertifizierungen von Erzeugnissen gesprochen und freuen uns sehr, wenn ihr euch ein paar Minuten für seine spannenden Antworten nehmt ??
Bei followfood steht ihr für Transparenz & nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln. Ob das Verfolgen des Ursprungs eines Fischprodukts oder die Herkunft der liebsten Gemüsesorte – Konsument:innen können genau sehen, woher die Produkte kommen. Warum ist euch das so wichtig?
Aus zwei Gründen. Zum einen ist Transparenz die Voraussetzung, damit Menschen und unsere Konsumentinnen entscheiden können, ob sie uns überhaupt wollen. Ob das gut ist, was wir machen. Oder nicht. Wir wollen uns überprüfbar machen. Zum anderen sind wir überzeugt, dass es eine Art Grundbedürfnis der Spezies Mensch ist, zu wissen, woher das kommt, was wir essen. Es war Jahrtausende und mehr ganz normal, dass es eine Beziehung gab von Lebensmitteln und deren Herkunft. Erst durch die Industrialisierung und Globalisierung ist hier ein Bruch entstanden, den wir heilen wollen.
Ihr setzt euch bei der Produktion eurer Lebensmittel besonders auch für bessere Böden & eine ökologische Landwirtschaft ein. Wieso glaubt ihr, dass nur diese zukunftsträchtig ist & was macht die Landwirtschaft aktuell “falsch”?
Das Thema Landwirtschaft hat eine große Portion Tragik in sich. Ich möchte eigentlich nur ungern sagen, „die Landwirtschaft“ macht etwas falsch. Es klingt so ankreidend und vorwurfsvoll. Lass uns sagen, es läuft viel, viel, sehr viel falsch in der Art und Weise, wie ein Großteil unserer Gesellschaft Landwirtschaft versteht und wie sie betrieben wird. Das ist deswegen so tragisch, weil es so eindeutig ist, und so viele Menschen, Generationen von Bauernfamilien in eine Situation bringt, dass sie etwas tun, was – offensichtlich – dringend komplett anders gemacht werden muss. Und das, obwohl so viel Herzblut, Arbeitskraft und Leidenschaft in die Landwirtschaft fließt. Und jetzt kommen Menschen wie ich, die kaum je wirklich im Feld gearbeitet haben, und sagen „es läuft falsch“.
Ich möchte dem, was ich dazu sage, eine Wertschätzung vorausschicken an alle die Menschen, die seit so vielen Jahren Lebensmittel für uns alle anbauen. Und das zu Bedingungen und Preisen, die im Grunde gerade so für ihre Existenz reichen. Und trotzdem: Ja, es gibt in unseren Augen massive Probleme! Wir wissen heute, dass unsere Landwirtschaft massiv negativen Impact auf unsere Ökosysteme hat. Auf unsere Biodiversität, auf das Klima, ja ganz zuerst auf die Qualität unserer Böden oder deren Fruchtbarkeit. Es gibt Studien die besagen, dass es in ein paar Jahrzehnten praktisch keine Ernten mehr gibt, weil die Böden ihre Fruchtbarkeit verlieren, wenn wir so weitermachen, wie bisher. Kurzum: Wir brauchen einen radikalen Systemwechsel. Wir brauchen einen Bewusstseinswandel von uns Konsumentinnen, der dazu führt, dass wir als Gesellschaft eine Landwirtschaft aufbauen können, die Bodenfruchtbarkeit auf- und nicht abbaut. Die CO2 bindet, nicht freisetzt. Die Biodiversität schafft, nicht vernichtet. Einer der Kernideen sollte wieder sein, von der Natur zu lernen, anstatt sie unserem linearen und oft beschränkten Denken unterordnen zu wollen.
Bio ist hier ein Anfang, aber lange nicht das Ende. Wir arbeiten z.B. sehr hart und begeistert an der Idee einer wirklich regenerativen, Boden aufbauenden Landwirtschaft und sind hier zusammen mit Gut & Bösel, unserem Partnerhof in Brandenburg, schon sehr weit.
Kann man mit so einer Art der Landwirtschaft wirklich alle ernähren, oder ist es, wie so oft kritisiert, nicht für alle möglich, Bio-Lebensmittel anzubauen? Was wünscht ihr euch hier auch von der Politik?
Fakt ist, dass wir mit der Art, wie wir heute Lebensmittel anbauen, die Welt irgendwann nicht mehr ernähren können, davon sind wir überzeugt. Und auch Bio muss sich weiterentwickeln, um das zu können. Ins Zentrum aller Betrachtungsweisen muss Bodenfruchtbarkeit kommen. Böden auszulaugen, für heutig maximale Erträge um fast jeden Preis, das geht auf Kosten folgender Generationen, und zwar existenziell. Und ja, die Politik hat hier eine entscheidende Verantwortung! Wir alle wissen, dass marktwirtschaftliche Mechanismen nicht in der Lage sind, Allgemeingut wie „fruchtbare Böden“, Biodiversität oder Klima zu organisieren. Im Gegenteil: Unregulierte Marktwirtschaft lädt dazu ein, genau diese „freien“ Güter maximal zu verbrauchen, weil das nichts kostet. Wenn ich Getreide in einer Monokultur anbaue, die zwar schädlich für Vögel und Insekten ist, Hasen vertreibt und Böden auslaugt, dann habe ich durch Produktivitätsvorteile marktwirtschaftliche Vorteile, weil ich günstig produzieren kann. Bezahlen tut die Allgemeinheit dafür, weil sie unendlich wertvolle Ressourcen verliert.
Das ist nicht nur ein kleines Problem. Das ist ein systemischer Fehler, ein riesen, riesen großes Problem. Sobald Politik Landwirtinnen vergüten würde, wenn sie Ökosysteme aufbauen, anstatt sie zu zerstören, hätten wir in kürzester Zeit eine radikale, so wichtige Wende. Dann würde die Demeter Möhre weniger kosten als die holländische konventionelle Massenmöhre, weil die Anbauer der konventionellen Möhre die Verluste an Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeit und Klima in Geld als Ausgleich bezahlen müssten, was die Produktionskosten steigern würde.
Wir fordern hier die Politik unermüdlich auf, aktiv zu werden. Und: Ja, wir fordern Bio für alle. Nicht als Lösung, sondern als Mindeststandard für eine enkeltaugliche Zukunft. Es ist wissenschaftlich längst bewiesen, dass das natürlich geht, insbesondere, wenn wir unsere Konsumgewohnheiten überdenken: weniger Fleisch und Milch, weniger Essen wegwerfen…
Nach dem Prinzip „vermeiden, vermindern, kompensieren” habt ihr es geschafft, klimaneutral zu werden. Was genau bedeutet das und wie setzt ihr das im Alltag um?
Das ist ein spannendes Thema und ein nicht endender Prozess. Das „Vermeiden“ ist natürlich das Schönste, weil es einfach verhindert, dass CO2 überhaupt in die Atmosphäre gelangt. Wenn wir sagen, dass wir keine Produkte aus Kostengründen nach Fernost zur Verarbeitung schicken, dann vermeidet das viel, sehr viel CO2. „Verbessern“ passiert täglich, mal im Kleinen, mal im Großen. Ein aktuell schönes Projekt ist unser Engagement auf den Malediven, wo wir dabei sind, eine Solaranlage zu installieren, um Dieseltanks zu ersetzen, die heute Strom für die Verarbeitung unseres Thunfischs produzieren. Wir werden hier viele Millionen Liter an Diesel einsparen. Den größten Einfluss auf die Klimaneutralität hat der Punkt „kompensieren“. Wir berechnen hier zusammen mit der NPO „my climate“, wieviel CO2 unser Wirtschaften generiert, und investieren dann in Projekte, die genauso viel oder mehr CO2 der Atmosphäre wieder entziehen. Das ist teuer, über 500 TEUR in diesem Jahr, aber extrem wichtig! Wir alle müssen jetzt einfach handeln.
Ihr habt schon 2007 mit dem Trackingcode eurer followfish Produkte angefangen. Jetzt, 14 Jahre später, ist das Bedenken unseren Fischkonsums gerade auch durch Seaspiracy allgegenwärtig. Was wusstet ihr, was damals noch keiner zu wissen schien?
Ich glaube, es gibt einen Unterschied zwischen „etwas wissen“ und „etwas im Bewusstsein haben“. Man wusste auch 2007 schon sehr genau um die Probleme der Fischerei. Nur hat es deutlich weniger Betroffenheit ausgelöst als heute. Es war weit weg für die Menschen. Und: Es kam aus einer „grünen“ Ecke, es waren Greenpeace, ein paar Ökos und Weltverbesserer wie wir, die dieses Wissen geteilt haben. Heute ist es in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und das ist sehr, sehr gut so!
“Die Aussage der Dokumentation, nachhaltige Fischerei sei nicht möglich, ist nicht korrekt. Wir finden sie sogar fast absurd. Besteht doch ein weltweit großer wissenschaftlicher Konsens, dass sie nicht nur möglich ist, sondern sogar extrem wichtig, um die Zukunftsfähigkeit von uns Menschen auf diesem Planeten zu gewährleisten”, schreibt ihr auf eurem Blog. Wenn circa ⅓ der weltweiten Fischbestände schon überfischt sind, warum ist es dann nicht besser, einfach erstmal auf Fisch zu verzichten, damit sich die Weltmeere erholen können?
Naja, wir sagen nicht, dass ein Verzicht von uns Deutschen nicht den Fischbeständen helfen kann, obwohl wir auch hier differenziert hinschauen müssen. Die Lösung wird aus unserer Sicht die Kombination sein aus „weniger und bewusster“ und einer Transformation der Fischerei, hin zu einer nachhaltigen Fischerei, sein.
Die Dokumentation Seaspiracy hatte eine grandiose Chance, die sie aus meiner Sicht nicht genutzt hat. Ich sage das nicht als quasi „Betroffener“. Nein, aus meiner Sicht ist die Dokumentation der Versuchung des Populismus und der Vereinfachung unterlegen. Die Schlussfolgerungen auch „nachhaltige Fischerei sei nicht möglich“ entbehren jeglicher wissenschaftlicher Basis und widersprechen dem großen Ziel, Veränderung herbeizuführen.
Ich persönlich finde so eine Aussage fast absurd. Noch vor nicht allzu langer Zeit hat sich die Menschheit ausschließlich von dem ernährt, was die Natur ihr schenkt: Wildpflanzen, Wildfleisch, Wildfisch. Konsequent weiter gedacht sagt die Dokumentation, dass das nie ging. Wow! Warum sollte das nicht gehen? Liegt das Problem nicht gerade in dieser Ignoranz unserer Zivilisation, die sich anmaßt, das, was hunderttausende Jahre funktioniert hat, jetzt industriell zu ersetzen? Denn etwas anderes tue ich nicht, wenn ich den Konsum von nachhaltig gefangenem Wildfisch ersetze durch konventionell angebaute pflanzliche Nahrung.
Fischerei, wie sie heute zu 90 % auf der Welt passiert, ist eine Katastrophe. Und entweder wir entwickeln Alternativen, oder eben nicht. Die Alternative „kein Fisch“ macht global keinen Sinn. Vor allem deswegen, weil Milliarden von Menschen heute existentiell von Fisch als Nahrungsquelle und Eiweißlieferant abhängig sind. Das klingt für uns in unseren reichen Bubble abstrakt, weil wir überhaupt keinen Hunger mehr kennen. Geh mal auf eine Insel im indischen Ozean, und erzähle den Menschen, dass sie aufhören sollen, Fisch zu essen. Die verhungern!
Abgesehen davon verhungern die 800 Millionen Menschen, die von der Fischerei wirtschaftlich leben. Und wenn wir bedenken, dass Fischerei heute noch vor der Landwirtschaft als wichtigstes Exportgut der sogenannten „dritten Welt“ Lebensgrundlagen schafft, verstehen wir, wie wichtig es ist, Fischerei in eine Nachhaltigkeit zu bringen, anstatt einfach wegzuschauen und sie sich selbst zu überlassen.
Dazu brauchen wir vielleicht etwas Lautstärke, aber keinen Populismus, keine dramatisch blutigen Bilder mit Horror Musik unterlegt. Das ist ok, weil es aufweckt, und ich feiere alles, was aufweckt. Nur meine und unsere Schlussfolgerung ist eine völlig andere.
Dazu kommt, dass aus ökologischer Sicht ein nachhaltig gefangener Wildfisch auch für uns Deutschen eine äußerst vorbildliche Eiweißquelle sein kann. Wenn wir es richtig machen. Wir müssen den Fisch nicht füttern, wir müssen keine Felder bestellen, keine Ökosysteme beanspruchen, die Welt schenkt uns einfach diese Nahrung. Und dazu kommt noch ein Gedanke, der in der gesamten Diskussion völlig unterm Tisch bleibt: Können wir denn pflanzliche Proteine heute herstellen, ohne Ökosysteme massiv zu beanspruchen oder sogar zu zerstören? Theoretisch vielleicht im Einzelfall, im Normalfall aber NEIN! So, wie wir heute Landwirtschaft betreiben, zerstören wir Biodiversität, Klima und die Fruchtbarkeit der Böden. Das ist Realität.
Man könnte auch etwas provokant die Frage stellen, was dem Planeten mehr hilft: Ein paar hunderttausend Menschen im Westen, die aufhören, Fisch zu essen, oder Unternehmen wie wir, NGOs und kleine Fischereien, die konsequent an einer Transformation der weltweiten Fischerei arbeiten? Fisch kann und wird ein so wichtiger Bestandteil sein, eine wachsende Bevölkerung nachhaltig zu ernähren, daran habe ich keine Zweifel. Also müssen wir einen Bewusstseinswandel erreichen, Fischereien so umstellen, dass sie nicht mehr rausfischen, als nachwächst. Dass sie Ökosysteme nicht zerstören, und dem Menschen dienen, nicht dem Profit.
Kann man ernsthaft kontrollieren, was auf Fischereibooten auf dem offenen Meer passiert?
Schwer. Aber man kann. Was wir kontrollieren können ist, was angelandet und vermarktet wird. Und ja, wir können als Akteure einfach auf das verzichten, was nicht kontrollierbar ist. Das ist viel. Sehr viel. Wir haben heute Kriterien, die uns überhaupt nur ermöglichen, aus ca. 5 % der weltweiten Fischerei zu sourcen. Am Ende ist das, was unseren Kriterien entspricht, natürlich nur ein Bruchteil dessen, was es an Fischereien gibt.
Das MSC Siegel wird aktuell stark kritisiert – gerade aufgrund der Tatsache, dass Fischereibetriebe nicht durch die Non-Profit Organisation direkt zertifiziert werden, sondern durch unabhängige Gutachter, die sehr wohl Geld für die Zertifizierung erhalten. Ihr richtet euch ja nach diesem Siegel als Mindestkriterium für nachhaltigen Fischfang, setzt aber mit euren eigenen Standards noch eine Schippe drauf. Warum reicht für euch die bloße MSC-Zertifizierung nicht aus?
Ja, wir haben Kriterien, die über den MSC hinausgehen. Weil wir vor einigen Jahren Wissenschaftler beauftragt haben, die wesentlichen Kritikpunkte am MSC zusammenzutragen und Kriterien für uns zu entwickeln, welche diese Kritikpunkte beinhalten. Und trotzdem: Das, was der MSC tut, ist extrem wichtig für unseren Planeten. Leider wird das sehr selten gesehen, mir tut die Organisation hier fast etwas leid. Weil: Der MSC hat mittlerweile gut 10 % der weltweiten Fischerei zertifiziert, 90 % sind weit, weit weg davon! Und in diese 10 % hat er Transparenz gebracht. Er hat Fischereien ermutigt, sich den Kriterien des MSC anzunähern. Er belohnt die Fischereien damit, dass sie durch das Siegel einen Aufpreis am Markt bekommen.
Was wäre denn, wenn es den MSC nicht gäbe? Regierungen machen nichts. Konsumenten können nichts machen außer Verzicht. Was in unserer Bubble vielleicht funktioniert, weltweit nicht. Wir haben nicht die Zeit, Prinzipienkämpfe zu führen. Wir müssen aktiv umlenken, in allen Bereichen! Wir haben nun in knapp 100 Jahren Industrialisierung den Planeten und seine Vielfalt massiv beschädigt, vielleicht an den Rande eines Kollapses gebracht. In 50 Jahren reicht ein Umschwenken nicht mehr. Wir müssen jetzt, heute! aktiv werden. Und zwar ohne Vereinfachung und Populismus, sondern rational und super konsequent. Und dazu gehört aus meiner Sicht, dass wir das komplexe und unattraktive Thema „nachhaltige Fischerei“ angehen.
Ist eine nicht zu 100% kontrollierbare Nachhaltigkeit nicht kontraproduktiv und Täuschung von Verbraucher:innen und regt den Konsum von Fischprodukten durch positive Bestärkung nicht zudem an?
Wenn wir von 100 % nachhaltig sprechen, dann meinen wir, dass wir nicht „auch“ nachhaltig hergestellte Produkte verkaufen, sondern, dass das unsere Mission ist. Zu 100 %. Wir alle hinterlassen einen Fußabdruck. Ich bin manchmal erstaunt bis perplex, wie oberflächlich diese Diskussion geführt wird. Die Herausforderung liegt in meinen Augen darin, dass wir erstmal ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie groß unser Fußabdruck ist, und wie negativ für unsere Mitwelt. Die Gleichungen „Veganismus ist gut, anderes ist schlecht“ oder „Regionalität ist gut, Überregionalität ist schlecht“ oder andere, die stimmen oftmals so nicht, auch wenn es schön wäre. Ich feiere vegan lebende Menschen, weil es natürlich erstmal ein Zeichen ist, ein Zeichen „so nicht“. Gleichzeitig weiß ich, dass dadurch nicht unbedingt etwas gewonnen ist. Unseren Kabeljau zu essen ist aus Sicht eines ökologischen Fußabdruckes deutlich besser, als konventionell hergestelltes Tofu aus Südamerika zu essen. Wir veröffentlichen zu jedem unserer über 90 Produkte mittlerweile eine komplexe Ökobilanz, die nicht „nur“ Klima abbildet, sondern die wirklich ganze Bandbreite dessen, was wir den Ökosystemen antun. Und diese Werte vergleichen wir mit den meist konsumierten Produkten in Deutschland: Avocado, Tofu, Rindfleisch etc. Es ist nicht einfach. Es ist komplex. Ob wir das wollen oder nicht. Und Fischerei kann, muss und wird vor dem Hintergrund, dass wir mit unserer Landwirtschaft Böden zerstören, die ohnehin knapp sind und dazu eine wachsende und immer hungrigere Weltbevölkerung ernähren sollen, eine zentrale und wichtige Rolle spielen. Und wir kämpfen dafür, dass diese Fischerei nachhaltig funktioniert, und nicht so, dass wir diese wertvolle Ressource zur Erschöpfung bringen und Ökosysteme zerstören.
Und ja, natürlich machen wir dadurch irgendwie den Fischkonsum „attraktiv“. Auf der anderen Seite ermöglichen wir z.B. maledivischen Fischern, ihre aufwendig und viel zu teuer „handgeangelten“ Thunfische zu vermarkten. Damit helfen wir nicht nur mit, dass diese Jahrtausende Jahre alte Fischerei erhalten bleibt, sondern wir zeigen der weltweiten Fischerei „Leute, es gibt Märkte für Produkte, die 180 Grad anders gefangen wurden, als das, was ihr tut“. Und hier können wir Umdenkprozesse anstoßen und unterstützen.
Und dieses Beispiel zeigt noch etwas anderes: Wenn alle aufhören würden, followfish Thunfisch zu essen, dann würde das zur Folge haben, dass die maledivische Fischerei ihren Fisch nicht mehr vermarkten könnte. Das hätte zur Folge, dass sie – weil sie keine andere Lebensgrundlage haben – ihre Fangmethoden so effizient gestalten würden, dass sie ihre Fische am Weltmarkt vermarkten könnten. Konkret: Von Angelruten Fischerei würden sie auf FAD basierte Ringwadenfischerei umstellen. Und anstatt weiter Jahrtausende vom Ertrag zu leben, würden sie in das perverse System einsteigen, Bestände in ihrer Existenz zu gefährden. Das zeigt: Verzicht ist nicht immer das Beste, manchmal hilft Konsum sogar, um die Welt besser zu machen. Weil es die unterstützt, die richtiges tun. Anstatt sie zu bestrafen.
Eure Lachse kommen beispielsweise aus einer Aquakultur in Norwegen. Hier herrschen natürlich andere Bedingungen als man auf den bekannten Bildern klassischer Aquakulturen sieht. Dennoch werden Kritiker laut, die sowohl die Verunreinigung durch Exkremente und Krankheiten, wie auch die Futterweise mit Fischfutter beklagen. Denkt ihr, dass Aquakulturen wirklich nachhaltig sein können und wenn ja, warum?
Jein. Ich glaube, dass eine wirklich nachhaltig betriebene Fischerei, wie z.B. die Angelruten Fischerei auf den Malediven, oder die jahrtausende Jahre alte Bodenseefischerei bei uns vor der Haustür, per se das Beste sein kann, was es gibt. Weil wir hier keine von uns betriebenen Systeme haben, sondern einfach von der Genialität der Natur profitieren können, die uns ernährt. Völlig ohne Input durch uns. Also keine Fütterung, keine Ackerbestellung, keine Zugabe von Düngemitteln. Und – weil ich vorhin Soja erwähnt hatte – ohne Urwälder zu fällen. Das ist per se genial. Wenn! es richtig gemacht wird. Bei der Aquakultur haben wir diese Vorteile nicht mehr. Trotzdem: Wir verkaufen nur Bio zertifizierte Aquakultur Produkte, das gilt auch für unseren Lachs. Der Fischanteil im Futter besteht in unserem Fall aus sogenannten „off cuts“, also aus Resten der Filet Produktion. Und: Der Fisch muss aus nachhaltigen Quellen kommen. Das sind ökologisch gute Produkte. Ein wirkliches No Go sind konventionelle Aquakulturen, sowas esse ich persönlich nie. Also der Räucherlachs am morgendlichen Buffet ist im Normalfalls ökologisch sehr problematisch.
Noch zwei kleine abschließende Fragen für alle, die eure Mission unterstützen möchten. Wo kann ich als Endkund:in eure Produkte überall kaufen und arbeitet ihr auch mit Gastronom:innen direkt zusammen?
Fast überall, auch viel online, nur nicht im Harddiscount, also nicht bei Aldi oder Lidl. Und nein, nur mit einem: mit meinem Freund Cengiz, der das schönste Strandbad am Bodensee betreibt, in Überlingen, ihn beliefern wir direkt. Ja, ehrlich gesagt auch deswegen, weil wir selber gerne dort mal Mittagessen.
Danke an Jürg Knoll für das sehr aufschlussreiche & ehrliche Interview. Wenn du mehr über followfood erfahren möchtest, dann besuche die Website des Unternehmens unter www.followfood.de ?